Für die Reaktivierung des Schienenpersonenverkehrs (SPNV) fallen erhebliche Kosten an, einerseits für die Ertüchtigung der Strecke und den Kauf geeigneter Fahrzeuge, andererseits aber auch für den täglichen Zugbetrieb. Diese werden aus unterschiedlichen Quellen bestritten.
Über einen 20-jährigen Zeitraum gerechnet, haben die Betriebskosten einen Anteil von ca. 85 bis 90 % an den Gesamtkosten der Reaktivierung. Der Betrieb muss gerade bei reaktivierten Strecken über 20 Jahre gewährleistet sein, weil sowohl die Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) Garantien für entsprechend anhaltende Trassenpreis-Einnahmen fordern und auch die Vergabe an Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) meist über Zeiträume von 10 oder 15 Jahre erfolgen.
Die Investitionen in Strecke und Züge können weitgehend über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) finanziert werden. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist, dass das Vorhaben in der Standardisierten Bewertung ein hohes Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) erreicht. Ein NKV über 1,0 ist das Mindestmaß für eine Förderung. Bis zu 90 % der Reaktivierungskosten können dann aus den GVFG-Mitteln, die der Bund bereitstellt, bezuschusst werden.
Auch der Betrieb des Schienenpersonennahverkehrs wird hauptsächlich aus dem Bundeshaushalt finanziert. Seit der Bahnreform 1994, als die Zuständigkeit für den SPNV vom Bund auf die Länder überging, stellt der Bund den Ländern dafür jährlich Regionalisierungsmittel zur Verfügung. Niedersachsen reicht das Geld den SPNV-Aufgabenträgern (LNVG, RegH, RGB) weiter.
Für den Betrieb neu reaktivierter Strecken fehlt in Niedersachsen dennoch das Geld. Das SPNV-Budget ist so schwach finanziert, dass zuweilen selbst der Weiterbetrieb auf bestehenden Nahverkehrsstrecken für die nächsten Jahre infrage steht. Das liegt daran,
1. dass die Regionalisierungsmittel generell zu gering sind,
2. dass die Regionalisierungsmittel in Zeiten eines knappen Bundeshaushalts gekürzt werden,
3. dass die Regionalisierungsmittel mit den Kostensteigerungen nicht schrittgehalten haben,
4. dass das Land Niedersachsen die Regionalisierungsmittel nicht nur für den Betrieb des SPNV verwendet,
5. das Land Niedersachsen in den vergangenen Jahren dennoch keine ergänzenden Mittel aus dem Landeshaushalt bereitgestellt hat.
Die Regionalisierungsmittel belaufen sich für 2023 und 2024 nach einer kräftigen Kürzung noch auf ca. 11 Mrd. € bundesweit. Auch die jährliche Erhöhung um 3 % deckt bei Weitem nicht die hohen Steigerungen bei den Bau-, Energie- und Personalkosten. Um im ländlichen Raum flächendeckenden, attraktiven und nachhaltigen Verkehr anzubieten, muss also unbedingt mehr Geld im Bundeshaushalt bereit stehen.
Die Regionalisierungsmittel, die der Bund seit der Bahnprivatisierung in den 1990er Jahren den Ländern zur Verfügung stellt, waren ursprünglich zur Finanzierung des SPNV-Betriebs gedacht. Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) [gesetze-im-internet.de/regg] können die Bundesländer die Mittel auch für regionale Busverbindungen oder für Investitionen in den SPNV verwenden (vgl. Übersicht für 2022). Niedersachsen verwendet leider einen wesentlichen Teil der Regionalisierungsmittel (ca. 90 Mio. € jährlich) für den Schulbusbetrieb, ohne dies durch eigene Mittel auszugleichen.
Damit alle Strecken mit erfolgreicher Standardisierter Bewertung und Aussicht auf GVFG-Finanzierung tatsächlich reaktiviert werden können, fordert das NVBN:
- Das Land Niedersachsen nutzt die Regionalisierungsmittel zukünftig in voller Höhe für die Bestellung von SPNV-Leistungen, gerade auch auf reaktivierten Strecken.
- Den Busverkehr bestreitet Niedersachsen zukünftig ausschließlich aus dem Landeshaushalt.
- Falls mit GVFG-Mitteln mehr Strecken reaktiviert werden können, als Regionalisierungsmittel für den Betrieb zur Verfügung stehen, wird auch hierfür ein Titel im Landeshaushalt eingerichtet. Er stellt den Differenzbetrag bereit, damit alle GVFG-Mittel für Streckenreaktivierungen genutzt werden können.
Haben wir kein Geld für zukunftsfähige Mobilität?
Alle Seiten (LNVG, Landesregierung, Landtagsfraktionen) unterstützen im Prinzip die Bereitstellung eines zukunftsfähigen Nahverkehrs, halten aber die Umsetzung für unmöglich, weil für wesentliche Verbesserungen des Status quo das Geld fehlt.
Damit befindet sich der Nahverkehr in guter Gesellschaft mit anderen Bereichen wie Schienenfernverkehr, Schienengüterverkehr oder auch Kita, Schule, Pflege und vielen anderen wichtigen öffentlichen Aufgaben. Kaum jemand bestreitet, dass der Zustand dringend verbessert werden muss, und dennoch heißt es regelmäßig, dafür hätten wir kein Geld.
Wirklich?
Allein für Mobilität geben wir Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt auch in Niedersachsen mehr Geld aus: Die Zahl der Autos pro Familie, die Größe und die Ausstattung der Autos steigen ebenso wie die Zahl der jährlichen Flugreisen. Nicht nur jede und jeder einzelne, auch der Staat nimmt jedes Jahr viel Geld in die Hand, um z.B. Autobahnen und andere Straßen zu bauen, obwohl ihr Nutzen aktuellen Prüfungen gar nicht mehr standhalten würde. LINK DAZU
Am Geld scheitert all das offenbar nicht. Dumm ist nur, dass von dieser Art der Mobilität viele Menschen ausgeschlossen bleiben. Das sind diejenigen, die sich kein Auto und keinen Flug leisten können, oder die ein Auto noch nicht, nicht mehr oder gerade nicht fahren können. Und auch Autofahrer würden von einem guten öffentlichen Nahverkehrsangebot profitieren. Aber wollen wir gute Mobilität nur für die, die gut verdienen? Und wollen wir genau dafür jedes Jahr 3 bis 4 Mrd. € ausgeben und gleichzeitig das Deutschlandticket immer teurer machen? LINK DAZU
Benötigen leitende Angestellte, denen große Autos für einen ermäßigten Steuersatz überlassen werden, diese Subvention dringender als junge Menschen auf dem Land, die derzeit ohne Auto nicht zur Ausbildung oder zur Arbeit kommen? Das lässt sich der Staat (Bund, Länder und Gemeinden) jedes Jahr 1,5 Mrd. € kosten. Kann der Dieselbetrieb von Lkws und Pkws heute noch so wichtig sein, dass er jedes Jahr mit bis zu 1 Mrd. € gefördert wird, anstatt Bahnstrecken im ländlichen Raum zu reaktivieren?
Wenn 10 % des Kfz-Verkehrs auf die Schiene verlagert werden, würde dies außerdem enorme gesellschaftliche Folgekosten einsparen. LINK DAZU
Die schädlichen Wirkungen von Abgasen, Lärm, Unfällen und Erderhitzung, von Überbauung und Versiegelung naturnaher Landschaft und städtischen Freiraums kosten uns nur für diese 10 % jedes Jahr fast 20 Mrd. €. Die könnten wir wirklich für einen guten Schienenverkehr auf dem Land ausgeben, und auf den Straßen stünden auch die Autofahrer weniger im Stau.